Salzburgs Töchter

Eine Frau und vier Todesfälle

posted by Christof Fellner March 7, 2017 0 comments

Maria Theresia: Keine Feministin, aber dennoch progressiv?

Diese Zeilen lesen zu können, verdanken wir eigentlich ihr. Für 40 Jahre saß sie auf ihren Thronen und wurde in dieser Zeit zu einer der wichtigsten Regentinnen Europas. Sie ist übrigens nicht Österreichs einziges weibliches Staatsoberhaupt, dafür aber das erfolgreichste und bisher auch letzte.

Die Rede ist von Maria Theresia, die heuer ihren 300. Geburtstag feiern würde. War sie wirklich die progressive Aufklärerin, die Österreichs Weg in die Moderne vorzeichnete? War sie gar eine Feministin? Oder war sie einfach nur pragmatisch?

Pragmatisch ist übrigens ein gutes Stichwort. Maria Theresias Thronbesteigung verdankt sie vier Todesfällen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts, also etwa im Jahre 1700, standen die Habsburger nicht nur vor dem Höhepunkt ihrer Macht in Europa, sondern auch vor dem Aus. Buchstäblich, denn Kinder wurden kaum noch geboren und die vorhandenen starben früh. Der Zweig der Familie, der Spanien regierte, war bereits zu einem Ende gekommen, was zu einem ganz Westeuropa erschütternden Erbfolgekrieg führen sollte.  Der Zweig der Familie, der Österreich regierte, bestand nur mehr aus drei Männern (Kaiser Leopold I. und seine zwei Söhne Joseph und Karl), und einigen unverheirateten Prinzessinnen (Töchter, Schwestern und Tanten der drei).

Jahrhunderte lang hatten Frauen bei den Habsburgern kein Recht zu regieren. Die einzige Rolle, die man ihnen – neben Kinder gebären – zubilligte, war es, ein Stift (das klingt zwar ähnlich wie ein Kloster, ist aber nicht dasselbe)  für adelige Damen zu leiten, und, in einigen besonderen Fällen, das Familienoberhaupt in Belgien als Statthalterin zu vertreten. Nun aber, 1703, erzwang die Lage ein „pragmatisches“ Umdenken. Einen ähnlichen Krieg um das österreichische Erbe wollte man unbedingt vermeiden. Man kam daher überein, dass, sofern es keine lebenden männlichen Habsburger mehr geben würde, die Töchter des letzten lebenden männlichen Habsburgers die ganze Macht erben sollten. Die Töchter anderer würden erst dann an die Reihe kommen. Da ohnedies nur mehr Joseph oder Karl Kinder zeugen würden, waren die Möglichkeiten, die eintreten konnten, somit sehr beschränkt. Die Pragmatische Sanktion war geboren.

Die letzten vier Männer der Habsburger verstarben mehr oder weniger rasch in den wenigen Jahren, nachdem dieses Dokument unterzeichnet wurde. Erst 1705 Kaiser Leopold, aber von einem über 60 Jährigen war ohnedies kein Sohn mehr zu erwarten. Es folgte 1711 ihm bald auch sein Sohn, Maria Theresias Onkel, Joseph I. Von dem 33 Jährigen Musiktalent und Machtpolitiker schlechthin wären eigentlich noch mehr Kinder zu erwarten gewesen, aber diese Möglichkeit war leider vertan. Nun galt es, vorläufig, das Erbe seiner Töchter zu sichern.  1716 starb Maria Theresias einziger Bruder, Leopold Johann, ein Baby von noch nicht einmal einem Jahr; 1740 zu guter Letzt auch Maria Theresias Vater, der nunmehrige Kaiser Karl VI.. Doch er hatte seine Tochter nicht auf ihre neue Aufgabe vorbereitet, denn es passte nicht in Karls Weltbild, das seine Tochter selbst regieren würde. Ihr Ehemann sollte das für sie erledigen.

Wie nicht anders zu erwarten, brach sogleich der Österreichische Erbfolgekrieg aus. Also jener Krieg, den die Pragmatische Sanktion eigentlich hätte vermeiden sollen. Wie konnte das nun passieren? Karl VI. hatte zwar über beinahe drei Jahrzehnte Österreichs beste Diplomaten auf das Ziel der Anerkennung des Erbrechtes, erst seiner Nichten, dann seiner Töchter angesetzt doch hat er am Ende unbewusst selbst all diese Bemühungen torpediert. Innerhalb der 1730er verlor Österreich krachend zwei völlig unnötige Kriege. Damit war die Armee dezimiert, die Staatseinnahmen reduziert und ganz Europa wurden die Schwächen Österreichs offenbart.  Da griffen Europas Strategen, besonders der neue preußische König, natürlich sofort zu, da Maria Theresia noch keine Zeit hatte Reformen zu beginnen, die Armee aber noch nicht wieder voll einsatzfähig war.

Erst nach dem Ende dieses Krieges konnte Maria Theresia ihr Reformprogramm beginnen. Ihre Regierung griff in damals unerhörte Bereiche ein. Die Habsburger Monarchie, die bis dahin mehr oder minder lose verbunden Länder mit ein und demselben Staatsoberhaupt waren, wurde zu einer engeren Föderation der Staaten; das bis dahin größte Reformprogramm überhaupt.  Eine Revolution von oben sozusagen.  Maria Theresia und ihre Berater Haugwitz, Kevenhueller, Kaunitz und Bartenstein refomrierten Österreichs Verwaltung, Militär, Justiz, die Bildung und die Wirtschaft. Dies diente natürlich dem höheren Ziel, Österreich in die Lage zu versetzen, mit den anderen europäischen Großmächten in der Entwicklung Schritt zu halten. Die meisten dieser Reformen mögen uns im Detail vormodern erscheinen. Gehalten haben sich bis heute die Idee eines stehenden, also nicht anlassbezogen einberufenen Heers, die Schulpflicht, die Abschaffung der Folter und den Maria-Theresien Taler. Hier spielt Maria Theresias Mann dann doch noch eine Rolle. Denn Franz Stephan von Lothringen hat sich sein eigenes Betätigungsfeld gesucht und wurde der leise Financier im Hintergrund. Kaiserin ist sie übrigens nur durch ihn geworden. Österreich „existierte“ damals noch nicht, folglich gab es zwar den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, der gewählt werden musste, aber noch keinen Kaiser von Österreich, dessen Krone geerbt wurde.

Die erste Frage können wir somit beantworten. Ja, Maria Theresia war die progressive Politikerin, die Österreich auf den Weg in die Moderne brachte. Unumkehrbar wurde das freilich erst unter ihrem Sohn, Joseph II., der die Reformen so weit treiben sollte, dass es hinter sie kein Zurück mehr gab.

Feministin war Maria Theresia sicherlich keine. Sie selbst war, im Gegenteil, streng katholisch. Sittenwächter gegen Prostitution hat sie eingeführt, ihre eigenen Kinder und die einzige Schwester hat sie entsprechend den jeweiligen machtpolitischen Interessen verheiratet und dabei nicht nach ihren Wünschen gefragt. Nur einmal hat sie einer Tochter erlaubt, den Mann zu heiraten, den sie wirklich wollte. Alle anderen hatten zu nehmen, was geboten wurde.  Sie selbst freilich bekam den Mann, den sie immer wollte. Aber wohl auch nur deshalb, weil es gut ins Konzept passte. 16 Kinder, 11 Töchter und 5 Söhne sollten Maria Theresia und Franz Stephan das Leben schenken (Einige starben schon als Kinder, andere, wie Joseph II, Leopold II und Marie Antonette haben später den Lauf der Weltgeschichte beeinflusst).

Den Kindern wurde klar gemacht, dass sie im Interesse des Staates zu handeln hatten und folglich keine Widerrede toleriert werden würde. Dementsprechend unglücklich wurden einige dieser Verbindungen. Und das ist bei den Habsburgern übrigens noch Jahrhunderte so geblieben. Heiraten und Kinder gebären, das war die beste Versorgung und einzige zulässige Tätigkeit. Eine ihrer Schwiegertöchter, Isabella von Parma, die Frau Joseph II zerbrach an dieser Einstellung. Wenn sie ihren Mann schon nicht liebte, zuhören sollte man ihr wenigstens. Aber, das war nicht vorgesehen.

Je mehr du deinem Mann Freiheit läßt, je mehr du darin deine Gefühle und dein Vertrauen offenbarst, desto liebenswerter wirst du ihm erscheinen und desto anhänglicher wird er dir sein.
(Maria Theresia)

Ja, Maria Theresia konnte ganz schön intolerant sein. Protestantische – „Dissident_innen“ müsste man fast schon sagen – vertrieb sie an die Donau ins heutige nördliche Serbien. Für sie war einzig der katholische Glaube schützenswert.

War Maria Theresia pragmatisch? Ja, das mit Sicherheit. Reformiert um der Veränderung willen hat erst Joseph II. Sie veränderte nur dort, wo es unbedingt notwendig war, und wenn, dann auch so, dass man sich anpassen konnte.

Abschließend also ein deutliches Ja zu Maria Theresia, aber auch ein nicht minder deutliches Nein, ganz sicher nicht. Wir können froh sein um die Veränderungen, die sie brachte und müssen gleichzeitig aufstehen gegen ihre Methoden. Maria Theresia, das war eine benevolente, autoritäre Matriarchin, die Veränderung brachte, aber gleichsam wie eine eifersüchtige Matrone über alles das wachte, was anzuzweifeln ihr niemals in den Sinn gekommen wäre.

Maria Theresia starb schließlich, nach 40 Jahren Herrschaft, im November 1780 in der Hofburg. Sie selbst hat ihren Tod deutlich kommen gesehen und sich darauf auch, in damals guter alter katholischer Sitte, vorbereitet. Weggefährten und Gegner waren gleichermaßen erschüttert.

Und wer heute an ihrem und ihres Mannes mächtigen Doppelsarkophag in der Kapuzinergruft zu Wien vorbeigeht, mag Maria Theresia durch einen Satz würdigen, den sie einmal ihrem Sohn Joseph geschrieben hat:

Ich habe es mit Güte probiert.

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