29 Jahre, 2,6 Terabyte, 11,5 Millionen Dokumente: Im Frühjahr 2016 wurde mit „Panama Papers“ eines der weltweit umfangreichsten Steuerhinterziehungs- und Geldwäschedelikte durch das Internationale Konsortium für Investigativen Journalismus (eng. ICIJ) öffentlich gemacht. Das Fundament dieses bis ins Detail durchdachten Betrugssystems schaffte die in Panama ansässige Anwalts-Kanzlei „Mossack-Fonseca“. Diese ist für die Gründung und Verwaltung zahlreicher Offshore-Unternehmen verantwortlich. Mossack Fonseca wurde 1977 gegründet und gilt als Marktführer im Bereich Briefkastenfirmendienstleistung.
Nachdem im Jahr 2015 anonyme Whistleblower der Süddeutschen Zeitung erste Informationen zugespielt hatten, wurden Anfang April 2016 die Ergebnisse der Panama Papers öffentlich gemacht. An der Recherche waren insgesamt 376 Journalist_innen aus 76 Ländern beteiligt. In Österreich waren die Wochenzeitung „Der Falter“ und der ORF an der Aufarbeitung beteiligt. Beobachtet man die bisherige Berichterstattung zu den Panama Papers, dann zeigt sich ein zweifacher Skandal: Nicht nur die Steuerhinterziehung und Geldwäsche der Finanzindustrie, großer Unternehmen und PolitikerInnen in bislang nicht bekanntem Umfang (Schätzungen zufolge handelt es sich um ca. 255Mrd. US-Dollar, die an Behörden vorbeigeschleust bzw. gewaschen wurden/werden), sondern auch die manipulative Meinungsmache westlicher Mainstream-Medien. So findet sich zum Beispiel kein veröffentlichter Name aus den USA und nur wenige stichhaltige – und das bei rund 2,6 Terabyte an Daten. Aus dieser Sicht erscheinen die Panama-Papers alles andere als ein Glanzstück des investigativen Journalismus. Sie sind stattdessen ein weiteres Beispiel für Manipulation der Öffentlichkeit und Meinungsmache anstelle von Aufklärung. Vor einigen Tagen wurde außerdem bekannt, dass dem deutschen Bundesfinanzminister Schäuble bereits vor mehr als einem Jahr erste Informationen zu Steuerschlupflöchern und systematischer Steuerhinterziehung durch einen Journalisten zugegangen waren. Eine Reaktion auf diese Nachrichten von seiner Seite blieb, trotz mehrfacher Kontaktversuche aus.
[blockquote align=”none” author=””]Was ist eine Briefkastenfirma?
Briefkastenfirma ist die Bezeichnung für ein Unternehmen, das rechtlich am Papier existiert, einen Firmensitz (in diesem Fall in Panama) hat, jedoch keinen Geschäftsbetrieb vorweisen kann. Briefkastenfirmen dienen verschiedenen Zwecken: der Anonymisierung von Vermögensverhältnissen, der Steuervermeidung (was legal, jedoch fragwürdig ist), aber auch Strafdelikten wie der Steuerhinterziehung, Geldwäsche, oder Umgehung von Sanktionen. Über Mossack Fonseca sind rund 15.600 Briefkastenfirmen registriert. Ein Problem eröffnet sich in dieser kontroversiellen Debatte, wenn man den Gedanken nach dem Sinn der Existenz solcher Briefkastenfirmen weiterspinnt. Selbst ohne Voreingenommenheit und Vorverurteilung findet sich wohl keine rationale Begründung, weshalb Firmen, die ihre tatsächlichen Einkünfte in europäischen oder amerikanischen Staaten generieren große Teile ihrer Geschäfte über komplexe, rein virtuell existierende Firmenkonstellationen in einem Staat wie Panamaabwickeln, der wohl neben der liberalen Steuerregulierungen als beliebtes Urlaubsziel gilt. Wohl sicher nicht, um aus Altruismus dem panamaischen Staat zu mehr Steuereinnahmen zu verhelfen.[/blockquote]
Warum ist die Gründung von Offshore-Firmen legal, aber dennoch verwerflich?
Als Offshore-Finanzplätze – zu denen auch Panama zählt – werden Standorte bezeichnet, die sich durch niedrige Steuersätze, sowie durch eine minimale Finanzmarktaufsicht auszeichnen, weshalb Vermögende gerne ihre Gelder an solchen Standorten anlegen. Problematisch an diesen Offshore-Finanzplätzen sind neben der (legalen) Steuervermeidung durch Unternehmen auch die vermehrten illegalen Geldwäscheaktivitäten, die durch geringe Finanzmarktaufsicht und –regulierung begünstigt werden. In Panama haben es Mossack- Fonseca durch die Gründung von tausenden Briefkastenfirmen möglich gemacht, Unternehmen, Banken, Privatpersonen, sowie Staats- und Regierungschefs ihre Vermögen am Offshore-Finanzplatz Panama abzulegen, die höheren Steuersätze in ihrem eigentlichen Heimatland zu vermeiden, oder gar, Steuern zu hinterziehen. Die aufgrund von Offshore-Finanzplätzen verlorenen Steuereinnahmen werden von der NGO „Tax Justice Network“ jährlich auf rund 255 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Steuerhinterziehung ist ein weltweites Problem.Steuerhinterziehung ist ein weltweites Problem, dessen Auswirkungen durch „Panama Papers“ zwar temporär weltweite Medienaufmerksamkeit auf sich ziehen, nach einem kurzen Aufschrei allerdings wieder im Keim erstickt werden wird. Zum einen, da es eine zu mächtige Lobby für die Beibehaltung des status quo gibt und zum anderen, weil die politisch Verantwortlichen – wie in Vergangenheit oftmals bewiesen – weder die nötige Kompetenz noch ernsthaftes Interesse daran haben, diese Schieflagen unserer Demokratien zu justieren. Der Skandal ist, dass die Verschleierung von Vermögen im Ausland noch immer nicht politisch und rechtlich in die Illegalität gedrängt wurde und dass es noch immer systematisch möglich ist, auf diese Weise Geld und sonstiges Vermögen zu verstecken. Die Politik hat bisher geduldet und es sogar weitestgehend durch Wegsehen und Offenlassen einiger weniger rechtlicher Lücken ermöglicht, dass der westliche Kapitalismus bis auf wenige symbolische Ausnahmen weitestgehend geschützt und vor der Verfolgung durch Justiz und Öffentlichkeit bewahrt worden ist. Die Veröffentlichung von Panama Papers stellt weniger die Lösung eines komplexen Problems dar, als die Darlegung eines Skandals, der mit großer Wahrscheinlichkeit wenige bis gar keine Konsequenzen mit sich ziehen wird.
Es zeigt sich, dass die alleinige Veröffentlichung und mediale Aufarbeitung des Panama-Papers-Skandals eine reine Symptombekämpfung ist und das Problem in seinem Kern weiterhin nicht lösen wird. Nur wenn die Politik aus diesem Anlass die richtigen Schlüsse zieht und konkrete Maßnahmen zur Schließung jener rechtlicher Lücken unternimmt, wird es künftig gelingen die Gier und Skrupellosigkeit der Finanzmafia einzudämmen.
Gier?! Welch gewagte Wortwahl!
Doch findet sie ihre Berechtigung, wenn man sich vor Augen führt, dass hierzulande gegen Kriegsflüchtlinge emotionalisiert wird, weil diese unser Sozialsystem und den sozialen Frieden in zu sehr belasten würden, auf der anderen Seite aber mächtige – vermeintlich ehrenhafte – Geschäfts- und Staatsmänner, sich davor scheuen, einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbeitrag an ein System zu leisten, das es ihnen überhaupt erst ermöglicht, Profite zu generieren. Es mag naiv klingen, doch wäre in den letzten Jahrzehnten dem Geld der Superreichen dieser Welt der Weg nach Panama verwehrt geblieben, wäre so mancher Steuertopf heute nicht ganz so ausgeschöpft oder Staatshaushalte bis in die Unendlichkeit verschuldet. Dies zeigt, dass Flucht wohl leider auch moralisch verwerfliche Aspekte hat.