Feminismus. Das Unwort, das Antiwort, das sofort Bilder von brennenden BHs und von dogmatisch anmutenden Feministinnen in vielen von uns hervorruft. Diese Bilder, die mittlerweile ins Zentrum vieler Betrachter_innen gerückt sind, haben einen dramatischen und weitreichenden Effekt: Jene von uns, die sich kaum bis wenig mit der Thematik beschäftigt haben, lehnen die Bezeichnung „Feministin“ für sich grundlegend ab. Doch Feminismus bedeutet so viel mehr als diese ersten in vielen Köpfen aufsteigenden Bilder.
Es ist nicht mein Anliegen, anderen mit meinem Blogartikel zu erzählen, wie sie Feminismus verstehen sollen. Wofür ich mich aber ausspreche, ist, dass wir uns im Sinne der gemeinsamen Ziele auf einen Minimalkonsens einigen müssen (den Terminus betreffend), der allein auf das, was wir erreichen wollen, abzielt.
Kurz gesagt bedeutet Feminismus, dass alle Angehörigen verschiedener Geschlechter gleichberechtigt agieren und existieren.
Feminismus bedeutet für mich nicht etwa, dass ich mich als Frau dafür oder dagegen entscheide, einem gut bezahlten Beruf, der mich erfüllt, nachzugehen, oder ein “stay at home parent“ zu sein. Feminismus bedeutet für mich aber, dass ich diese Entscheidung gleichberechtig mit einem Mann treffen kann (und im Idealfall sogar mit ihm aufteilen). Feminismus bedeutet im Umkehrschluss auch, dass ein Mann diese Entscheidung gleichberechtig mit einer Frau treffen kann.
Hätte mir jemand früher gesagt, was Feminismus eigentlich bedeutet, hätte ich begeistert verkündet, Feministin zu sein. Stattdessen aber, wurden mir Flyer zum „Frauenkampftag“ und Veranstaltungseinladungen, die ausschließlich Frauen zugänglich waren, in die Hand gedrückt. Well done ÖH, I didn’t care about feminism for the next 4 years after that had happened.
Mein Interesse an der Thematik erwachte erst, als mir bewusst wurde, dass diese in der Mitte der Gesellschaft ankommen muss (an dieser Stelle sei gesagt, jene, die mich auseinandernehmen wollen, ob meiner „antifeministischen“ Aussagen, tragen hierzu nicht positiv bei). Generationen von Frauen haben für die Rechte, die wir heute wie selbstverständlich genießen, mühsam gekämpft (Gleichberechtige Studien- und Arbeitsmöglichkeiten, Wahlrecht, gleichberechtigte Mündigkeit und vieles mehr).
Eine Beobachtung des Status quo:
Die Feminismusdebatte ringt den meisten nicht einmal mehr ein müdes Lächeln ab. Der dominante Diskurs hat nämlich dazu geführt, dass sich kaum jemand, der nicht „sensibilisiert“ ist, mit Feminismus beschäftigen will. Dies spielt den offenkundigen Gegner_innen in die Hände, die den Diskurs in eine Richtung lenken, die von vielen kaum mehr hinterfragt wird (außer von den ohnehin „sensibilisierten“ Personen“). Ich behaupte, frau kann Feministin sein und trotzdem ihren BH lieben! Worum es geht, sind gerade eben nicht Formen, sondern Inhalte.
Gleichberechtigung der Geschlechter ist etwas, das im 21. Jahrhundert längst selbstverständlich sein sollte. Die Diskussion darüber, ob Feminismus nun etwas Gutes oder Schlechtes ist (an alle „Sensibilisierten“ da draußen: ja, diese gibt es), sollten wir somit hinter uns gelassen haben. Feminismus ist vor allem eines: Gleichberechtigung aller.
Dies bezieht sich auf Möglichkeiten und Rechte:
Emma Watson sagte in ihrer hervorragenden Rede vor der UN General Assembly, dass Männer sich nicht dafür schämen müssen, Gefühle zu zeigen und Sheryl Sandberg (Chief Operating Officer Facebook) sagt, auch Männer sollten die selbstverständliche Möglichkeit haben, sich für eine Karriere als „stay at home parent“ zu entscheiden.
Bis heute werden erfolgreiche Frauen als unsympathisch wahrgenommen; bis heute wird von vielen Frauen erwartet, ihre Karriere zu Gunsten ihres Mannes und ihrer Kinder aufzugeben; bis heute werden Frauen auf ihre Erscheinungsmerkmale reduziert; bis heute ist es Frauen ein größeres Anliegen, zu gefallen; bis heute wird Frauen in noch viel zu vielen Ländern der Zugang zu Bildung verwehrt; bist heute sind Frauen Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt; bis heute werden Frauen unterdrückt.
Mit diesem Artikel kann ich daran, dass diese Dinge passieren, nicht viel ändern. Ich frage mich jedoch, ob nicht wenigstens wir, die wir so privilegiert sind, dass wir endlose Debatten über die unterschiedlichen Facetten des Feminismus führen können, damit beginnen sollten, gemeinsam für den Feminismus einzutreten, anstatt Teilbereiche zu diskutieren.
Sollten wir nicht mit Begeisterung verkünden, Feminist_in zu sein und uns somit für Gerechtigkeit, gegenseitige Wertschätzung und Solidarität aussprechen? Warren Buffet hat einmal behauptet, unter anderem deshalb so erfolgreich zu sein, weil er nur mit der Hälfte der Bevölkerung im Wettbewerb steht – nämlich nur mit den Männern.
Um den Feminismus voranzutreiben, muss diese Hälfte der Bevölkerung aktiv in den Diskurs miteinbezogen werden. Denn Feminismus kann nur funktionieren, wenn Angehörige beider Geschlechter sich für Gleichberechtigung einsetzen. Männer mögen zwar in vielen vor allem materiellen Bereichen bevorteilt werden, doch in jenen Dingen, die eine unsichtbare Sphäre bezeichnen, sind sie es nicht. Allein nämlich schon das Primat des Materiellen ist die Folge einer noch immer dominierenden patriarchalischen Sichtweise auf die Welt und das Leben.
Bis heute haben mehr Männer als Frauen Scheu, ihre Gefühle zu zeigen; bis heute werden Männer in ihrer Rolle als Vater weniger Ernst genommen; bis heute können Männer sich kaum dafür entscheiden, ein „stay at home parent“ zu sein; bis heute ist äußerer Erfolg die Maßeinheit, die zur Bewertung von Männern herangezogen wird; bis heute werden Männer,sind sie Opfer sexueller Gewalt, weniger ernst genommen; bis heute wird häusliche Gewalt gegen Männer ebenso als Tabuthema behandelt (wie hoch da nun der statistische Anteil ist, spielt für den jeweiligen Einzelfall keine Rolle).
Viele grundsätzliche Probleme sind verbunden mit Erwartungen und Vorurteilen, die wir in uns tragen. Diese Vorurteile sind es, die uns in unserer persönlichen Entwicklung einschränken. Feminismus muss als ein Anliegen, das uns alle betrifft, in der Mitte der Gesellschaft ankommen und auch der Gesetzgeber muss sich dessen endlich bewusst werden.
Die Gleichstellung von Männern und Frauen kann nicht nur durch Worte erfolgen. Wie in so vielen Fällen müssen auf Worte Taten folgen.
Wir, alle Mitglieder der Zivilgesellschaft haben das Recht und die Verantwortung uns für Feminismus und Gleichberechtigung einzusetzen. Wer Gleichberechtigung und Toleranz fordert, muss aufhören, den anderen mit einem Etikett zu versehen.
Vorurteile und Meinungen, die an uns aufgrund unserer Erscheinung herangetragen und angelegt werden, gilt es zu hinterfragen und zu brechen; widersprechen sie doch einem liberalen Weltbild. Es ist höchste Zeit damit zu beginnen.
(Der Beitrag wurde zuerst hier am 16. März 2015 veröffentlicht.)