Oft wird einem die Bedeutung von etwas erst bewusst, wenn es nicht mehr da ist. Das wird auch bei der Unfallversicherung der Fall sein. Seit Ende des 19. Jahrhunderts gibt es sie in Österreich. Bald könnte ihr Ende gekommen sein.
Der wesentliche Nutzen der Unfallversicherung liegt in der Beschränkung der zivilrechtlichen Haftpflicht für Unternehmen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ihrer ArbeitnehmerInnen. An die Stelle deren Stelle trat die soziale Leistungspflicht der Unfallversicherungsträger. Finanziert wird diese im Wesentlichen durch die Entrichtung eines Beitrags der ArbeitgeberInnen in Höhe von allgemein 1,3% des Bruttogehalts ihrer ArbeitnehmerInnen.
Die ArbeitgeberInnen erhielten durch die Bezahlung der Unfallversicherungsbeiträge für ihre Arbeitnehmer das sog. „Haftungsprivileg“. Das bedeutet, dass diesenur mehr dann für Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten seiner ArbeitnehmerInnen haften, wenn ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann und besteht dann nur mehr direkt gegenüber dem Unfallversicherungsträger. Die oder der Versicherte erhält Versicherungsleistungen unabhängig davon vom Träger selbst. Dadurch soll auch gewährleistet werden, dass sich ArbeitgeberInnen an ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften halten. Wurde der Arbeitsunfall nicht vorsätzlich herbeigeführt, kann die AUVA auf den Ersatzanspruch gegenüber der/m ArbeitgeberIn sogar ganz oder teilweise verzichten, wenn ansonsten die Existenz des Unternehmens bedroht wäre.
Für die ArbeitnehmerInnen war die Einführung der Unfallversicherung ebenso mit einem großen Vorteil verbunden: Im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit, erhalten diese die bestmöglichen Leistungen vom Unfallversicherungsträger zur Heilung oder Verbesserung des Gesundheitszustandes als Versicherungsleistung. Bis zur Einführung der Unfallversicherung mussten ArbeitnehmerInnen selbst ihre Schadenersatzansprüche bei ihren ArbeitgeberInnen einfordern und konnten sie nur dann erfolgreich durchsetzen, wenn sie diesen ein schuldhaftes Verhalten nachweisen konnten. Im Laufe der Geschichte erfolgte auch eine stetige Erweiterung des Versicherungsschutzes, sei es unter anderem auf den Arbeitsweg, auf SchülerInnen und StudentInnen bei der Ausbildung an Bildungseinrichtungen, oder auf Kindergartenkinder. Letztere wird vor allem aus öffentlichen Fonds wie dem Familienlastenausgleichsfonds finanziert.
Monatliche Kosten der Unfallversicherung |
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Angestellte/ EUR 2500,00 (brutto) pro Monat (UV-Beitrag 1,3%): EUR 32,50 |
Neuer Satz laut Sozialministerin Hartinger-Klein (UV-Beitrag 0,8%): EUR 20,00 |
Was plant die Regierung?
In Zukunft soll der Beitragssatz nur mehr 0,8% betragen. So lauten die Pläne der Regierung, allen voran jene der Sozialministerin Beate Hartinger-Klein. Im obigen Beispiel wären dann noch EUR 20,00 an Beiträgen pro Monat zu zahlen. Die „Ersparnis“ würde hier also EUR 12,00 pro Monat betragen.
Für die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) bedeutet diese Senkung des Beitragssatzes aber, dass sie selbst 500 Millionen Euro einsparen muss. Ansonsten wird sie laut Ankündigung der Regierung aufgelöst und die Agenden auf andere Versicherungsträger aufgeteilt. Die AUVA hat bereits angekündigt, dass sie selbst nicht mehr als 100 Millionen einsparen könne, ohne nicht den derzeitigen Leistungsumfang massiv zurückzuschrauben. Dies würde die Finanzierung von Unfallkrankenhäusern genauso betreffen, wie Kindergartenkinder, SchülerInnen und StudentInnen, die ihre beitragsfreie Unfallversicherung beim Besuch von Bildungseinrichtungen verlieren.
Die Regierung verfolgt damit ihr Versprechen einer Senkung der sog. „Lohnnebenkosten“. Dass es sich bei der Unfallversicherung allerdings mehr um eine Haftpflichtversicherung für UnternehmerInnen handelt, die für diese einen wesentlichen Nutzen und Schutz bringt, wird dabei gern verschwiegen. Blickt man in andere Staaten, wo Schadenersatz- und Schmerzengeldverfahren in Millionenhöhe wegen aufgrund von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten alltäglich sind, erscheint der österreichische Unfallversicherungsbeitrag vergleichsweise mickrig. Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Unfallversicherungsträger Leistungen von der Prävention über die Unfallheilbehandlung und Rehabilitation bis hin zu Rentenleistungen im Fall von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten erbringen und die entstehenden Kosten auch von einem Unternehmen nicht immer getragen werden könnten.
Nimmt man zum Beispiel an, die bereits erwähnte Angestellte erleidet einen Arbeitsunfall. Die Arbeitnehmerin war zu diesem Zeitpunkt bereits drei Jahre bei derselben Arbeitgeberin beschäftigt und es waren Unfallversicherungsbeiträge in Höhe von ca. EUR 1.300,00 zu entrichten waren (so viel können schon zwei Zahnkronen alleine kosten). Bei schwereren Arbeitsunfällen können schnell Folgekosten im sechstelligen Bereich erwachsen. War der Arbeitsunfall nunmehr nur durch leichte Fahrlässigkeit der Arbeitgeberin verursacht, so wird er von weiteren Schmerzengeld- oder Schadenersatzansprüchen verschont.
Wie geht es weiter?
Derzeit ist vollkommen unklar, von wem und in welchem die Leistungen, die bisher von der AUVA erbracht werden, in Zukunft erbracht werden. Klar ist schon jetzt, dass es zu wesentlichen Qualitätseinbußen kommen wird. Für die rund 5 Millionen Versicherten der AUVA bedeutet die Schließung der AUVA eine absehbare und wesentliche Verschlechterung der sozialen Absicherung sowie der Leistungen im Versicherungsfall.
All das dies dient wesentlich der Kurz-ÖVP, die damit ihre Wahlkampfversprechen einlösen will. Für ihre SponsorInnen wie KTM-Chef Pierer, der aktuell laut ” Forbes” mit 1,2 Mrd. Dollar auf der Liste der reichsten Menschen der Welt Platz 1.867 belegt, hat sich wohl schon dann ihre Investition in Kanzler Kurz ausgezahlt. Pierer spendete im Nationalratswahlkampf 436.463 Euro an die Kurz-ÖVP. Damit könnte er die Unfallversicherung der Angestellten aus dem obigen Beispiel für knapp 1000 Jahre zahlen.
(Bildquelle: Von Toben – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimed)